Bericht

Bericht Tolkien-Nachmittag 50 Jahre „Der Herr der Ringe“ auf der Buchmesse 2019

 

Ob mit oder ohne Kostümierung – der Saal Harmonie im Congress Center der Frankfurter Messe ist am Buchmessen-Samstag voll mit „Herr der Ringe“-Fans, die gerne acht Euro extra ausgeben, um einen Nachmittag mit der Musik und den Geschichten um und von J. R. R. Tolkien zu verbringen.

Literaturkritiker und Autor Denis Scheck moderiert humorvoll und kompetent das abwechslungsreiche Programm. Er lädt seine Gäste, unter anderem die Synchronschauspieler von Bilbo und Frodo, auf ein bequemes Sofa im Zentrum der Bühne ein und interviewt sie dort.

Zu Beginn und zwischen den einzelnen Punkten hilft das „Jugendsinfonieorchester Hochtaunus“ dem Publikum mit der originalen Filmmusik in die Welt von Mittelerde einzutauchen.

Der Sprachwissenschaftler John Ronald Reuel Tolkien entwickelt mit elbisch eine eigene Sprache für seine Saga. Mit ihrer Hilfe und alten europäischen Geschichten bzw. Mythologien entwickelt er in einer beispiellosen Entstehungsgeschichte die eigene Welt „Mittelerde“.  Die neue Sprache wird praktisch durch das „erzählende Tier“ Mensch lebendig.

Als erstes wird der Verleger Michael Klett auf das Sofa gebeten. Er berichtet die „Erfolgsgeschichte“ des Herr der Ringe (HdR) für den Klett-Verlag, wobei es anfangs gar keine gewesen ist.

Sein Vater hat ihn in den 60er Jahren nach Nordamerika geschickt, um dort Erfahrungen im Verlagswesen zu sammeln. Dort lernt er Menschen kennen, die vom „Herrn der Ringe“ schwärmen. Er stellt sich dabei zunächst einen adeligen Herren mit vielen Ringen an den Händen vor. Zum Lesen kommt er jedoch nicht. Der Klett Verlag ist zur damaliger Zeit ein Schulbuch-Verlag. Somit reagiert sein Vater nicht sehr begeistert, als Michael Klett anregt, einen Fantasy-Roman zu verlegen.

Michael Klett geht auf einen weiteren längeren Tripp, diesmal in den nordamerikanischen Urwald. Mit wenig Essen und Lesestoff kommt Michael Klett, nur noch 49 kg schwer, danach wieder in die zivilisierte Welt zurück. Er ist (lese)hungrig und liest, noch mit den Eindrücken des Urwaldes im Kopf, nach der Rückkehr in zehn Tagen den Herr der Ringe.

Daraufhin sagt er seinem Vater, dass sie das Werk übersetzen und veröffentlichen MÜSSEN. Dieser lässt sich tatsächlich umstimmen und verlegt ihn. Jedoch anfangs noch sehr teuer, da er alle Kosten (der Übersetzungen aller Bände) auf den ersten Band aufgeschlagen hat. Trotzdem verkaufen sich die drei Bände sehr schnell, denn viele Käufer haben ihn zuvor schon auf englisch gelesen und möchten ihn nun auch in Deutsch ihr Eigen nennen. Mit der Auflage der grünen Pappbox ist der endgültige Verkaufserfolg nicht mehr aufzuhalten. Lange Jahre ist der HdR neben dem Duden fester Bestandteil der Spiegel Bestsellerliste gewesen. Ein Kult ist im Entstehen, der mit der Verfilmung kurz nach der Jahrtausendwende wieder neues Leben eingehaucht bekommt.

 

Als nächster Programmpunkt tragen die Synchronsprecher Manuel Straube (Bilbo) und Timmo Niesner (Frodo) drei Abschnitte des Buches vor.

Zuerst liest Manuel Straube den Abschnitt vor, in dem Bilbo seinen 111. Geburtstag feiert und dabei seinen Verwandten verkündet, dass er verschwindet und genau dies umgehend mit Hilfe des Ringes umsetzt.

Danach bringt Timmo Niesner die Szene bei Elronds Rat zu Gehör, in der sich Frodos entscheidet, der nächste Ringträger zu werden.

Beide lesen mit einer solchen Intensität und Professionalität, dass alle Zuhörer gebannt an ihren Lippen hängen. Sowohl Straube als auch Niesner sind nicht nur Synchronschauspieler sondern führen auch Synchron-Regie. Die Synchronisation eines Films bedeutet mehr als die normale Übersetzung. Der Text muss einerseits auf die Lippenbewegungen passen und andererseits muss der Sinn des Originals erhalten bleiben bzw. eine deutsche Entsprechung gefunden werden.

Es gibt in Deutschland einen Pool an Synchronschauspielern, aus denen die Regisseure auswählen können.

Manuel Straube hat den HdR als Kind (noch) nicht verstanden und hat ihn erst über die Filme richtig kennengelernt. Funfact: Er hat mit 17 Jahren bei der HdR-Trilogie schon vergeblich für Samweis Gamdschie vorgesprochen. Für die Stimme des Bilbo im Prequel „Hobbit“ wird er direkt ausgesucht. Martin Freeman ist zwar über zehn Jahre älter als er, irgendwas in der Körpersprache Straubes hat die Besetzungsregisseurin Katrin Fröhlich jedoch an Freeman erinnert. Timmo Niesner, schon seit Kinderzeiten Fan des Buches, hat jedoch ein strenges Casting über sich ergehen lassen müssen.

Zur Freude des Publikums können beide zusammen die meisten der 13 Zwerge des „Hobbits“ aufzählen. Timmo Niesner ist zur Zeit Synchronregisseur für die Serie „The Young Pope“ mit Jude Law und John Malkovich. Manuel Straube ist gerade mit der Synchronisation des neuen Roland Emmerich-Films „Midway“ beschäftigt.

Nach dem Musikstück „Gollums Zähmung“ lesen beide zusammen abschließend eine Textpassage, die auf dem Weg zum Schicksalsberg spielt. Timmo Niesner gibt Frodos Stimme wieder und Manuel Straube stellt sowohl Samweis Gamdschie als auch Gollum dar.

Mit tosendem Applaus bedankt sich das Publikum für den kurzweiligen und unterhaltsamen Tolkien-Nachmittag auf der Buchmesse 2019. Die beiden Synchronschauspieler geben noch lange vor dem Saal Autogramme und machen mit den Fans Selfies.

 

Text: Tobias Böhm, Fotos: Markus Wissmann