Lars von Trier, der dänische Filmemacher und Enfant terrible des europäischen Films, legt mit „The House That Jack Built“ einen grenzüberschreitenden und doch gleichzeitig etwas angestaubten Film über einen Serienmörder vor, der sich als Künstler versteht. Schon der Trailer verspricht, dass Genie, Wahnsinn, Kunst und Ästhetik eng beieinander liegen.
Bild: Concorde/Zentropa/Christian-Geisnaes
Über einen Zeitraum von 12 Jahren,in den 1970ern beginnend, und anhand von fünf exemplarisch ausgewählten „Vorfällen“, genauer gesagt Morden, zeigt „The House That Jack Built“ das Leben ebendieses Jack. Der hochintelligente, zwangsneurotische Ingenieur, der lieber Architekt geworden wäre, versucht ein Kunstwerk in Form eines Hauses zu bauen.
Diese Kunst allerdings ist nicht die Architektur – dreimal reißt er den Rohbau seines Hauses wieder ein – sondern das Morden. Jack ist ein Serienmörder, dessen Morde mit der Zeit immer leichtsinniger und provokanter werden. Unterbrochen wird die Erzählung dieser Vorfälle immer wieder von Gesprächen Jacks mit dem mysteriösen Verge, von dem er Absolution sucht und demgegenüber er seine Philosophie des Mordens reflektiert.
Bild: Concorde/Zentropa/Christian-Geisnaes
Was an Lars von Triers neuem Film überzeugt sind die Darsteller. Matt Dillon gibt dem eiskalten Jack, dem der Wahnsinn in den Augen steht, auch immer wieder menschlich nahbare Momente — beispielsweise, als Jack nach einem Mord seine Neurosen nicht unterdrücken kann und den Tatort fast verzweifelt immer und immer wieder reinigt. Bruno Ganz bleibt wortwörtlich im Hintergrund, denn er wirkt fast ausschließlich durch seine markante Stimme. Erst kurz vor Schluss des knapp 150-minütigen Werks wird er tatsächlich auf der Leinwand sichtbar. Als Opfer des psychopathischen Killers lassen Uma Thurman, Siobhan Fallon Hogan, Sofie Gråbøl und Riley Keough den Zuschauer überzeugend und ganz individuell in die Ängste ihrer Charaktere blicken. Besonders Uma Thurman, spielt Jacks erstes Opfer so unfassbar nervtötend, dass man Jack beinahe verstehen kann, der sie mit einem Wagenheber erschlägt.
Bild: Concorde/Zentropa/Christian-Geisnaes
Mit der kühlen Farbgebung der Bilder, dem Blick des Killers und der Kamera durch schmutzige Fensterscheiben, Windschutzscheiben oder Zielfernrohre betont „The House That Jack Built“ die Distanz Jacks zu seinen Opfern, die in verstörend brutalen Bildern den Tod finden. Die Kamera ist nie so gnädig den Zuschauer durch einen Schnitt oder Schwenk ausweichen zu lassen. Abgesehen von den brutalen Bildern ist der Film sehr offensichtlich an Dantes „Göttliche Komödie“ angelehnt — was in Kunst und Literatur eindeutig nichts bahnbrechend Neues ist.
Darüber hinaus strotzt der Film, wie für von Trier üblich, von kulturellen und künstlerischen Anspielungen aber auch Wortspielen — die aber vermutlich nur in der Originalfassung funktionieren (ein „Jack“ ist beispielsweise auch ein Wagenheber, das Werkzeug, mit dem das erste Opfer getötet wird). Verge (englisch: Grenze) ist also auch nicht überraschend Jacks Begleiter in die Kreise der Hölle. Das Thema des Films sind Grenzüberschreitungen in und für die Kunst. Damit wirft Lars von Trier eine alte, aber immer noch aktuelle Fragestellung auf: Was darf Kunst? Muss Kunst frei von allen moralischen Grenzen sein um Neues zu schaffen?
Bild: Concorde/Zentropa/Christian-Geisnaes
So recht kann „The House That Jack Built“ aber nicht an von Triers komplexe Erfolge „Dogville“, „Melancholia“ oder „Nymphomaniac“ anknüpfen. Sehr gezwungen und gestelzt, beinah intellektuell übersättigt, kommt der Film daher. Man fragt sich, ob man selbst überhaupt in der Lage ist, den Gedankengängen des „Genies“ Lars von Trier zu folgen, als der sich der Filmemacher zusätzlich innerhalb des Films selbst inszeniert. Obwohl die Erzählung des sehr(!) langen Films klar strukturiert erscheint, ist der Rahmen um Jack und Verge verschachtelt und zu unklar. Der Epilog zieht sich arg in die Länge und steht in so hartem Kontrast zum Rest des Films, dass das Ende erwartet ist, aber einen unrunden Eindruck zurücklässt.
Fazit
Wer bisher kein Fan von Lars von Triers Filmen war, wird es durch „The House That Jack Built“ vermutlich auch nicht werden.
Bewertung: 3/5 Punkten