Die Verfilmung eines Romans ist ein kreativer und oft anspruchsvoller Prozess, der zahlreiche Entscheidungen und intensive Zusammenarbeit zwischen Autorinnen, Produzentinnen und dem gesamten Filmteam erfordert. So erging es auch den Macher*innen einer neuen Adaption, die auf einem erfolgreichen Roman basiert und die Geschichte der Protagonistin Hazal erzählt. Im Rahmen eines Gesprächs auf der Frankfurter Buchmesse gewähren die Beteiligten spannende Einblicke in den Entwicklungsprozess des Films, von der Drehbuchentwicklung bis hin zur finalen Inszenierung von ‚Ellbogen‘.
Die ungewöhnliche Herangehensweise
Was bei dieser Verfilmung besonders ist: Die Initiative zur Produktion kam von den Filmemacher*innen selbst, was ein seltenes Szenario darstellt. „Das ist super, weil normalerweise ist der Weg ja andersrum. Du hast eine Produzentin und die besorgt vielleicht das kleine Fernsehspiel und so weiter,“ erklärt ein Mitglied des Filmteams. Doch hier brachte die Regisseurin das Filmprojekt eigenständig ins Rollen, wodurch sie von Anfang an mehr Einfluss auf die Produktion hatte.
Ein wesentlicher Schritt war die Wahl der Drehbuchautorin Claudia. „Wir hatten uns getroffen und waren auch gleich sofort inhaltlich drin und ich hatte auch von Anfang an das Gefühl, dass wir inhaltlich auf einer Wellenlänge sind,“ erinnert sich Claudia an das erste Treffen. Dieser Gleichklang war entscheidend für die gemeinsame Arbeit an einem Drehbuch, das dem Ton des Romans gerecht werden sollte.
Vom Roman zur Filmsprache
Einer der größten Unterschiede zwischen einem Roman und einem Film liegt in der Art der Erzählung: Während der Roman oft von inneren Monologen und detaillierten Beschreibungen lebt, verlangt ein Film nach einer visuellen Erzählweise. Die Autorin Fatma wusste von Beginn an, dass ihr Roman in eine neue Sprache übersetzt werden müsste, um als Film zu wirken. „Mir war schon klar, dass ein Film nicht eine Zusammenfassung von einem Buch sein wird,“ erklärt sie. Es braucht neue Szenen und andere Erzählweisen, um die Geschichte filmisch umzusetzen.
Der Film konzentriert sich besonders auf die Emotionen und das Innenleben der Protagonistin Hazal. Ein Satz, der Fatma während der gesamten Entstehung der Geschichte immer wieder beschäftigte, lautet: „Scham ist beschissener als Angst.“ Diese Aussage beschreibt Hazals Gefühle, und die Drehbuchautorin Claudia und das Team arbeiteten intensiv daran, diese Emotionen filmisch darzustellen.
Freiheiten und Kompromisse
Obwohl sich die Filmemacher*innen in vielen Punkten einig waren, mussten auch Kompromisse geschlossen werden. Der Roman ist aus der Ich-Perspektive erzählt, was eine starke innere Stimme für die Protagonistin bietet. „Wir wollten einen Film, aber das wäre nicht unser Film gewesen,“ so Claudia über die Entscheidung, bewusst auf ein Voice-Over zu verzichten. Stattdessen wollten sie Hazals Innenleben rein visuell und durch ihre Handlungen auf der Leinwand sichtbar machen.
Auch wenn die Autorin den Prozess begleitet hat, gab sie den Filmemacher*innen gleichzeitig die Freiheit, Szenen und Inhalte anzupassen, um den Film bestmöglich umzusetzen. Einige der Szenen, die im Roman eine große Bedeutung hatten, mussten aus filmischen Gründen angepasst oder weggelassen werden. Dieser kreative Spielraum erlaubte dem Team, den eigenen Fokus auf das Thema Gesellschaft zu legen und dabei herauszuarbeiten, wie Hazal als junge Frau versucht, in einer Gesellschaft zu bestehen, die ihr misstraut.
Die Essenz des Romans bewahren
Trotz der Freiheiten und Anpassungen gab es einige zentrale Elemente, auf die Fatma großen Wert legte. Besonders wichtig war für sie, dass die Geschichte am Ende „nicht weichgespült“ wird und sich nicht in einer klischeehaften Reue oder einem versöhnlichen Ende verliert. Die Aussage „Das tut mir nicht leid“ sollte als Leitmotiv auch im Film spürbar sein. „Das ist gar nicht so leicht, eine Figur so zu entwickeln, dass sie diesen Satz sagt,“ beschreibt Claudia die Herausforderung. Das Ziel war, Hazals Ablehnung einer schuldbewussten Haltung auch ohne das direkte Aussprechen dieser Worte deutlich werden zu lassen.
Die Arbeit an einem Drehbuch, das die essenziellen Aspekte des Romans und die rohe Kraft der Hauptfigur bewahrt, erforderte viel Abstimmung und Detailarbeit. Von Anfang an setzten Claudia und Fatma auf eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Hazals Werten und ihren Blick auf die Gesellschaft. Das Team entwickelte den Film um die wesentlichen emotionalen Kernpunkte der Geschichte und füllte die Leerstellen mit neuen Szenen, die den Ton des Romans respektieren und zugleich eine eigene filmische Sprache etablieren.
Ein Film, der zum Nachdenken anregt
Die intensive Auseinandersetzung mit Hazals Innenleben und der Übertragung literarischer Sprache in die Bildsprache des Films ermöglicht es den Zuschauer*innen, die Geschichte auf eine direkte und authentische Weise zu erleben. Die Umsetzung fordert die Hauptdarstellerin heraus, das Wesen der Figur nur über ihr Spiel zu vermitteln, ohne die inneren Monologe des Buchs auszusprechen. Das Team entwickelte dabei auch eine Szene, die Hazals Einsamkeit verdeutlicht – eine kreative Leistung, die den Anspruch des Films unterstreicht, eine Geschichte nicht einfach zu adaptieren, sondern tief in den Themen des Romans zu verwurzeln und diese durch den Film greifbar zu machen.
Für Fans des Buchs und Filmliebhaber*innen gleichermaßen bietet der Film eine interessante Perspektive auf das komplexe Thema der Verfilmung. Die Verflechtung von literarischem Inhalt und visueller Umsetzung ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie aus einem Buch eine neue künstlerische Vision entstehen kann, die gleichzeitig den Geist des Originals bewahrt.