Bericht

Frank Schätzing auf der Frankfurter Buchmesse: Eine Reise ins Mittelalter mit seinem neuen Roman „Helden“

 

Frank Schätzing präsentierte auf der Frankfurter Buchmesse seinen neuen historischen Roman Helden, der nicht nur in die Zeit des Mittelalters zurückversetzt, sondern auch aktuelle Themen wie Populismus, soziale Ungleichheit und politische Partizipation aufgreift. Der Roman, der eine Fortsetzung seines früheren Werks Tod und Teufel darstellt, erzählt die Geschichte des Protagonisten Jakob der Fuchs, der sich nach seiner Zeit als Dieb und Gaukler in Köln nun auf den Weg in die Welt des 13. Jahrhunderts macht.

Mittelalterliche Gesellschaft und der Beginn des Kapitalismus

In Helden schildert Schätzing nicht das düstere Bild des Mittelalters, das vielen vertraut ist, sondern zeigt eine Zeit des Aufbruchs und der Erneuerung. Das Hoch- und Spätmittelalter erscheint bei ihm als eine dynamische Epoche, geprägt von Entdeckungen und einem neu aufkommenden Bewusstsein für individuelle Freiheit und Verantwortung. So erfindet die Menschheit zu jener Zeit nicht nur den Kapitalismus und den Welthandel, sondern auch neue Denkweisen, die auf einer zunehmenden Freiheit der Seele basieren.

Jakob, der Protagonist, wird durch seinen Mentor, den Geistlichen Jasper Rodenkirchen, mit dem neuen Denken konfrontiert. In der wachsenden Handelsstadt Köln lernt er das Handwerk des Kaufmanns und wird unwillentlich in die Verstrickungen des entstehenden globalen Handels und gesellschaftlicher Umbrüche gezogen.

Jakob der Fuchs zwischen politischem Erwachen und Intrigen

Ein Großteil der Geschichte spielt in England zur Zeit König Heinrichs III., dessen Herrschaft von politischen Krisen und einem tiefen Misstrauen gegenüber ausländischen Einflüssen geprägt war. Mit Parolen wie „Ausländer raus!“ und der Forderung „Wir sind das Volk“ erinnert Schätzing an heutige populistische Bewegungen und zeichnet ein mittelalterliches England, das schon damals den Wunsch nach nationaler Identität und Eigenständigkeit verspürte – ein „Brexit 1.0“. Die Figur Simon de Montfort, ein charismatischer Adliger und einer der ersten Verfechter eines parlamentarischen Systems, steht hierbei im Zentrum. Er kämpft dafür, dem König die Macht zu nehmen und mehr Rechte für das englische Volk zu etablieren – jedoch nicht ohne dabei auf Hass und Vorurteile zurückzugreifen.

Faszinierende Frauenfiguren und der Freiheitskampf der Geschlechter

Neben den politischen Entwicklungen spielen Frauen in Helden eine starke Rolle. Schätzing, der sich intensiv mit Chroniken und Berichten aus dem Mittelalter auseinandersetzte, beschreibt die Frauen jener Zeit als stärker und eigenständiger, als häufig angenommen. So erweist sich die schottische Heerführerin Mirgail als eine „Punkerin“ des Mittelalters, die sich gegen die Regeln stellt und ihren eigenen Weg geht. Schätzing betont, dass es damals durchaus Frauen gab, die eigene Geschäfte führten oder sich für Emanzipation einsetzten – ein Punkt, der in der Darstellung der mittelalterlichen Gesellschaft oft übersehen wird.

Auf der Frankfurter Buchmese beschreibt Schätzing den Rechercheaufwand, der in die realistische Darstellung des Mittelalters geflossen ist, und seine Bemühungen, die Zeit für Leserinnen sinnlich erfahrbar zu machen. Er hat sich das Ziel gesetzt, nicht nur das „dunkle Mittelalter“ zu zeigen, sondern die Leserinnen auch die Farben, Gerüche und den Alltag jener Zeit miterleben zu lassen.

Ein Thriller der besonderen Art: Wirtschaft, Krieg und menschliche Abgründe

Der Roman beginnt mit einer brutalen Seeschlacht, die die Dynamik und Brutalität der damaligen Zeit einführt und zeigt, dass das Mittelalter eine ebenso aufregende wie gefährliche Epoche war. Schätzing nutzt dabei seine Erfahrung als Thriller-Autor, um Spannung und historische Fakten zu einem packenden Leseerlebnis zu verbinden. Neben der politischen Intrige und der wirtschaftlichen Erneuerung wird Helden auch zu einem psychoanalytischen Roman, der Jakobs innere Konflikte beleuchtet. Seine Vergangenheit, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, zeigt ihn als gebrochene Figur, die mit Schuld und Verlust ringt – und damit auch für die Leser*innen zugänglich und berührend wird.

Schätzing bringt das 13. Jahrhundert durch eine Erzählweise zum Leben, die historische Figuren wie Jakob der Fuchs, Jasper und Simon de Montfort authentisch wirken lässt und das Gefühl vermittelt, mitten in den Wirren dieser Zeit zu stehen. Der Leser taucht nicht nur in eine ferne Zeit ein, sondern erlebt mit, wie die Menschen des Mittelalters die Welt wahrnahmen und versuchten, ihren Platz darin zu finden.